KI und Nachhaltigkeit – Ein Interview mit Dr. Sebastian Rosengrün

KI und Nachhaltigkeit – Ein Interview mit Dr. Sebastian Rosengrün

Wenn es um Nachhaltigkeit geht, zieht KI meist kritische Blicke auf sich, wegen des hohen Energieverbrauchs von Rechenzentren oder der Abwertung menschlichen Denkens. Mit Dr. Sebastian Rosengrün, der sich als Philosoph und Programmierer in Theorie und Praxis gleichermaßen auskennt, habe ich über KI, Kritik, den Hype und die Chancen gesprochen.

Sebastian, wie kommt man von der Philosophie zur KI?

Ich war schon immer sehr computerbegeistert und habe das immer als mein Hobby gesehen, und Philosophie sozusagen als meine Profession oder als mein Studium. Aber auch in der Philosophie habe ich mich viel mit mathematischer Logik beschäftigt und häufiger mit Leuten aus dem Fachbereich Informatik gemeinsame Projekte gemacht. 

Momentan ist KI ein großes Thema und viele Menschen fangen jetzt an, sich damit zu beschäftigen. Wann hast du angefangen?

Mit KI beschäftige ich mich schon länger, also eigentlich schon seit dem Studium. Vor sieben oder acht Jahren habe ich begonnen, mich systematischer mit KI zu beschäftigen, und vor fünf Jahren habe ich dann mein Einführungsbuch bei Junius geschrieben. KI war damals noch kein so großes Thema. Da haben alle eher über Blockchain oder Quantencomputer gesprochen, aber seit zwei, drei Jahren rollt die ganz große Hype-Welle.

Es klingt immer akademisch, aber Philosophie ist auch „Begriffsklärung“. Ist „künstliche Intelligenz“ überhaupt der richtige Begriff?

Ich finde den Begriff ein bisschen unglücklich gewählt, weil er bei vielen Menschen falsche Assoziationen weckt und daher die Debatte verwirrt. In meinem Buch schlage ich vor, KI als einen Sammelbegriff für verschiedene Programmiertechniken zu verstehen, die für verschiedene Anwendungsfälle zum Einsatz kommen, von Natural Language Processing, Machine Learning bis zu Computer Vision.

Mit ChatGPT hat die Debatte um KI einen neuen Höhepunkt erreicht. Kannst du erklären, was dahintersteckt und wie es dazu kam?

Als OpenAI ChatGPT veröffentlicht hat, wirkte es erst mal so, als sei da etwas fundamental Neues entstanden. Neu war aber eher die Anwendung, also die Chatoberfläche. Die großen Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) dahinter gibt es aber schon viel länger. Der Durchbruch von ChatGPT und die neue Qualität der Texte, die es produziert, hängt damit zusammen, dass LLMs inzwischen größere Mengen an Trainingsdaten zur Verfügung stehen und auch die Rechenleistung, die es benötigt, um Sprachmodelle mit Hilfe dieser Daten zu trainieren.

Foto von Sebastian Rosengrün

Foto: Frank Nürnberger

Über Sebastian Rosengrün

Dr. Sebastian Rosengrün berät Unternehmen und Institutionen beim verantwortungsvollen Umgang mit KI und forscht als PostDoc an der Universität Augsburg zum Menschenbild der Künstlichen Intelligenz. Im Frühjahr 2025 hat er das AI Impact Lab in Berlin mitgegründet, das Unternehmen unterstützt, KI Compliance als strategischen Wettbewerbsvorteil zu nutzen. 

KI hat ja eine schlechte Klimabilanz, warum eigentlich?

Dass KI einen so großen Energiebedarf hat, ist vielen Menschen gar nicht bewusst. Der mit Abstand größte Teil der Energie wird für das Training der Modelle benötigt. Ich brauche extrem viel Rechenkapazität und eigene Rechenzentren dafür, die wiederum eine Menge Strom und Energie unter anderem für die Kühlung der Server brauchen. Mit jeder Abfrage, die ich durchs Internet schicke, verbrauche ich Energie, und ChatGPT verbraucht dabei ca. 30-mal mehr Energie als eine Google-Suche.

Welche Ansätze gibt es, um die Energiebilanz zu verbessern?

Da gibt es verschiedene Stellschrauben, an denen man drehen kann. Das eine ist natürlich, die Rechenzentren energieeffizienter zu machen und sie im besten Fall mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Aber als Entwickler kann man schauen, den Programmiercode schlanker zu machen und dadurch weniger Rechenoperationen und weniger Strom zu benötigen. Das Green Software Movement ist eine Bewegung, die sich mit so etwas beschäftigt. Und als User kann man sich überlegen, ob man wirklich für jede kleine Recherche gleich auf das größte Reasoning-Modell zurückgreifen muss.

KI nachhaltiger zu machen ist die eine Sache, aber kann man mit Hilfe von KI auch beispielsweise ökologische Probleme besser angehen?

Die schwierige Frage ist ja immer, ob die Technik Schuld an unseren Problemen oder eben die Lösung für sie ist. Die Antwort liegt vermutlich meistens irgendwo in der Mitte, und man muss sich die konkreten Anwendungsfälle anschauen. Der Einsatz von KI ist überall dort gut und sinnvoll, wo es darum geht, große Datenmengen auszuwerten und darin Muster zu erkennen. Das kann man beispielsweise dafür nutzen, um Modelle und Prognosen zu erarbeiten, um die Auswirkungen des Klimawandels besser zu verstehen.

Installationsansicht Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen. Museum Ludwig, Köln 2022 Foto: Leonie Braun

Der Einsatz von KI wirft viele ethische Fragen auf. Welche interessiert dich am meisten?

Mich beschäftigt am meisten die Frage, wie KI unsere Gesellschaft und unser Menschenbild verändert. Im aktuellen Diskurs geht es meistens darum, dass KI vermeintlich immer menschlicher wird. Meine These ist, dass unser Menschenbild immer technischer wird und wir uns immer stärker entlang technischer Maßstäbe verstehen.

Was ist ein guter Weg oder eine gute Haltung, um sich mit KI auseinanderzusetzen? Braucht es die kritische Distanz oder das Staunen und Ausprobieren?

Ein bisschen von beidem, würde ich sagen. Erstmal ist es wichtig, offen und neugierig zu sein, denn es hat keinen Sinn, sich in seinem stillen Kämmerlein einzuschließen und zu hoffen, dass der KI-Hype vorbeizieht. Sicher ist, dass KI gekommen ist, um zu bleiben, und unsere Gesellschaft verändern wird. Neugierde, Ausprobieren und Tatendrang – das trägt auch dazu bei, dass man sich mit den neuen Tools und ihren konkreten Einsatzmöglichkeiten beschäftigt. Das hilft wiederum, richtig einzuschätzen, wo KI sinnvoll und notwendig ist und wo nicht.

Das ist interessant, denn oft entsteht ja der falsche Eindruck, „Kritik“ sei ein distanziertes, leicht nörgelndes „Über-etwas-Sprechen“. Du bist eher für eine Form kritischer Neugierde.

Unbedingt, und ich würde sagen, dass Bildung dafür eben ganz wichtig ist, um im praktischen Umgang so ein kritisches Urteilsvermögen auch ausbilden zu können. Das muss gestärkt und auch in der schulischen Bildung verankert werden. Ich halte zum Beispiel nicht viel vom Begriff „digitale Ethik“, weil das immer so klingt, als würde man fernab der Praxis ein Regelwerk entwerfen, an das man sich halten muss. Dabei ist Ethik etwas, das man macht und zu dem man gelangt, indem man sich mit den Dingen auseinandersetzt. Dafür sind auch Gespräche und Diskussionen wichtig. Kritik bedeutet, Unterscheidungen treffen zu können, und das ist eigentlich nichts Negatives.

Um den verantwortungsvollen Umgang mit KI zu fördern und Menschen weiterzubilden, hast du vor Kurzem das AI Impact Lab gegründet. Was macht ihr genau?

 Genau, ich habe das AI Impact Lab gemeinsam mit Dr. David Rump gegründet, einem wunderbaren Juristen, mit dem ich zuvor schon viele Jahre akademisch zusammen gearbeitet habe. Wir verfolgen gemeinsam das Ziel, KI-Compliance im Unternehmen als Instrument zur digitalen Innovation zu verstehen. Beispielsweise fordert Artikel 4 des European AI Acts Unternehmen dazu auf, ihre Mitarbeitenden im Umgang mit KI zu schulen. Auf LinkedIn liest man ja viele Klagen, dass der AI Act ein solches Bürokratiemonster sei, aber ich halte etwa diesen Bildungsaufruf, der darin verankert ist, für eine wichtige Chance, wenn man ihn denn richtig versteht und in die Praxis umsetzt.

Welche Bereiche betrifft das konkret in einem Unternehmen?

Erstmal haben wir natürlich die Frage nach dem Einsatz von KI im Unternehmen und die damit verbundene Herausforderung, alle Mitarbeitenden auf diesem Weg mitzunehmen und fortzubilden. Neben Kompetenz helfen klare Verhaltens- und Nutzungsregeln dabei, KI im Unternehmen auch verantwortungsvoll einzusetzen. Einzelne Anwendungsfälle, bei denen KI-Compliance und Datenschutz dann eine Rolle spielen, sind der Umgang mit Unternehmens- und Kundendaten oder etwa die Frage, ob und wie KI bei der Sichtung von Bewerbungsunterlagen eingesetzt werden darf.

Aus deiner Sicht ist der AI Act also auch eine Chance für Unternehmen?

Er gibt ihnen auf jeden Fall einen wichtigen Anstoß, sich mit dem Thema zu befassen, und bringt sie vielleicht auch dazu, sich darüber Gedanken zu machen, wie KI ihre Geschäftsmodelle in Zukunft verändern wird. Wenn man sich diese Fragen stellt, kann man darauf aufbauend entscheiden, wie man KI im eigenen Unternehmen einsetzen will. Und darin steckt auch ein großer Wettbewerbsvorteil.

Mehr Infos:

Bücher von Sebastian Rosengrün:

Künstliche Intelligenz zur Einführung, Junius Verlag, Hamburg, 2020 (Rezension hier auf ecologies)

mit Fabian Geier: Digitalisierung. Die 101 wichtigsten Fragen. München: Beck 2023

 

Nachhaltigkeit im Museum – Ein Interview mit Miriam Szwast

Nachhaltigkeit im Museum – Ein Interview mit Miriam Szwast

Museen sind nicht nur Orte der Kunst und Kultur, sondern auch Institutionen mit einem großen ökologischen Fußabdruck: Klimatisierte Ausstellungsräume, permanente Beleuchtung und internationale Kunsttransporte sorgen für einen erheblichen CO2-Ausstoß. Miriam Szwast ist am Museum Ludwig in Köln Kuratorin für Fotografie und Ökologie. Gemeinsam mit ihren Kolleg:innen hat sie eine Nachhaltigkeitsinitiative gegründet und engagiert sich für den nachhaltigen Wandel.

Hallo Miriam, kannst du erzählen, wie du angefangen hast, dich für das Thema Nachhaltigkeit zu interessieren?

Ich bin mir sicher, dass ich mich für Nachhaltigkeit begonnen habe zu interessieren, bevor ich wusste, was Nachhaltigkeit ist. Das war ein Prozess, zu begreifen, wie viele Dimensionen dahinterstecken – ökologisch, sozial, ökonomisch. Für mich hat das tatsächlich eher aus dem privaten Interesse begonnen – wie sicherlich für viele Menschen, sensibler für Dinge zu werden, vielleicht einige Dinge im Privaten umzustellen.

Dann habe ich auch realisiert an einem Arbeitsplatz zu sein, mit dem ich mich inhaltlich verbunden fühle. Über die Jahre habe ich dann gemerkt, dass es viele Dinge hinter den Kulissen meiner Institution gibt, die für Nachhaltigkeit wichtig sind.

Museen sind nicht nur Orte der Kunst und Kultur, sondern auch Institutionen mit erheblichem ökologischem Fußabdruck: Klimatisierte Ausstellungsräume, permanente Beleuchtung und internationale Kunsttransporte sorgen für einen erheblichen CO2-Ausstoß. Miriam Szwast ist am Museum Ludwig in Köln Kuratorin für Fotografie und Ökologie. Gemeinsam mit ihren Kolleg:innen hat sie eine Nachhaltigkeitsinitiative gegründet und engagiert sich mit dem Green Culture Collective dafür, den nachhaltigen Wandel auch in anderen Kulturinstitutionen voran zu bringen. 

Hallo Miriam, schön, dass du da bist. Kannst du erzählen, wie du angefangen hast, dich für das Thema Nachhaltigkeit zu interessieren?

Ich bin mir sicher, dass ich mich für Nachhaltigkeit begonnen habe zu interessieren, bevor ich wusste, was Nachhaltigkeit ist. Das war ein Prozess, zu begreifen, wie viele Dimensionen dahinterstecken – ökologisch, sozial, ökonomisch. Für mich hat das tatsächlich eher aus dem privaten Interesse begonnen – wie sicherlich für viele Menschen, sensibler für Dinge zu werden, vielleicht einige Dinge im Privaten umzustellen.
Dann habe ich auch realisiert an einem Arbeitsplatz zu sein, mit dem ich mich inhaltlich verbunden fühle. Über die Jahre habe ich dann gemerkt, dass es viele Dinge hinter den Kulissen meiner Institution gibt, die für Nachhaltigkeit wichtig sind.

Foto: Falko Alexander, Museum Ludwig

Über Miriam Szwast

Miriam Szwast arbeitet seit 2013 als Kuratorin für Fotografie am Museum Ludwig in Köln. 2021 wurde ihre Position um den Bereich Ökologie erweitert – sie ist seitdem auch offiziell „Kuratorin für Ökologie“. Im selben Jahr gründete sie das Green Culture Collective Cologne sowie das museumsinterne „Team Nachhaltigkeit“.

Zu ihren wichtigsten Ausstellungsprojekten im Bereich ökologischer Nachhaltigkeit zählen „Hier und jetzt. Und gestern und morgen“ (2024) sowie „Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“ (2022). Szwast studierte Kunstgeschichte an den Universitäten Saarbrücken, Frankfurt am Main und Hamburg. Ihre kuratorische Laufbahn begann sie mit einem Volontariat bei den Staatlichen Museen zu Berlin.

Wie hast du angefangen?

Meine Aufgabe endet so ein bisschen – ich überspitze das jetzt – an der weißen Museumswand und im Depot. Aber viele Bereiche des Museums waren mir eigentlich überhaupt noch gar nicht so richtig vertraut. Deshalb dachte ich mir dann, ich werde mal zum Scout und guck mal, wo die Mülltonnen stehen, wie es mir unsere Entsorgungspraxis aussieht, und so ging es dann weiter. Das scheint banal, aber es ist wichtig, sich den Rucksack aufzuschnallen, sich umzuschauen und dann zu sehen, was man eigentlich besser machen müsste und auch kann.

 Wie hast du Leute gefunden, die sich auch für das Thema interessieren und engagieren wollen?

Das war zum Glück überhaupt gar kein Problem. Ich musste niemanden finden, sondern es gab diesen Moment – ich weiß das noch, das muss 2019 gewesen sein, als Fridays for Future quasi vor der Tür des Museums standen. Wir saßen in unserem wöchentlichen Jour Fixe und ich erwähnte nur, dass es doch schön wäre, wenn wir uns über Nachhaltigkeit und den Klimawandel mehr Gedanken machen und schauen, was wir verändern können.

In meiner Erinnerung kam darauf keine Reaktion und ich dachte, gut, wenn keine Reaktion kommt, ist es auch kein Nein, dann lege ich mal los. Und es kam sehr schnell eine Dynamik auf, weil viele Kolleg:innen mich dann auf dem Flur direkt ansprachen und sagten, sie hätten auch Interesse, sich irgendwie einzubringen.

Wir sind eine lernende Institution und es ist wirklich ein Work in Progress. Wir lernen mit jeder Maßnahme und mit jedem Fail irgendwie dazu. Es gibt einfach nicht dieses Buch, in dem ich nachschlagen könnte „so geht Grünes Museum“.  Wir wachsen und wir suchen, und das ist das Aufregende. Deswegen ist es aber umso schöner, dass wir jetzt ein wirklich großes und engagiertes Team am Museum haben. Wir sind 60 Mitarbeitende und 30 sind im Team Nachhaltigkeit aktiv.

Installationsansicht Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen. Museum Ludwig, Köln 2022 Foto: Leonie Braun

Installationsansicht der Ausstellung „Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“. Museum Ludwig, Köln 2022. Foto: Leonie Braun

Welche Rolle spielen gerade Museen mit Bezug auf den Klimawandel?

Es gibt diese Untersuchungen der britischen Wohltätigkeitsorganisation Julie’s Bicycle, die haben im Kultursektor Treibhausgasemissionen berechnet. Wir konnten feststellen, dass Museen bei den CO2-Emissionen weit an der Spitze stehen im Vergleich zu Opern, Kinos, Festivals etc. Das kommt beispielsweise allein schon daher, dass wir wegen der Kunstwerke sehr genau auf das Raumklima schauen müssen.

Wenn wir den Anspruch haben ein grünes Museum zu sein und das mit unseren Themen auch voranbringen wollen und dabei mit unseren Stakeholdern, von den Förder:innen bis zu den Besucher:innen im Austausch sind, dann müssen wir glaubwürdig sein.

Nachhaltiger zu werden, ist aus meiner Sicht ein Prozess, der auf vielen Ebenen gleichzeitig stattfindet. Wir sprechen über das Gebäude, wir sprechen über den Ausstellungsbetrieb im Gebäude, wir sprechen über die Produkte, seien es Kataloge, Ausstellungen oder das Merchandising. Und wir sprechen dann – und das ist die wahre Superpower der Museen – über das Programm.

Was waren denn so die ersten Projekte, die ihr angegangen seid?

Es sind zum Teil kleine Maßnahmen, mit denen wir eine Menge erreichen konnten. Bei Leihanfragen haben wir beispielsweise versucht einen klimaneutralen Versand zu vereinbaren. Ein anderes Projekt war das Materialkarussell. Wir haben Materialien wie alte Rahmen, die wir nicht mehr benötigen, Transportkisten und sehr viel unterschiedliches Material einfach gegen eine freiwillige Spende abgegeben. Mit dem Erlös konnten wir dann die Kölner Tafel und Zero Waste Köln e.V. unterstützen.

Habt ihr auch Vermittlungsprogramme für Menschen, die sich mehr für Nachhaltigkeit und weniger für Kunst interessieren?

Ja, das sind ganz unterschiedliche Formate. Beispielsweise gibt es regelmäßig Vorträge, Podiumsdiskussionen, Austausch unter der Überschrift „Kunst und Klima“. Wir haben mit Politiker:innen aus Köln darüber diskutiert, was sie sich unter einer grünen Stadt vorstellen. Wir haben zuletzt mit dem Wuppertal-Institut zusammengearbeitet und Workshops für verschiedene Altersstufen angeboten.

Du hast auch das Green Culture Collective mitbegründet. Was macht ihr da genau?

Das Green Culture Collective habe ich parallel zum Team Nachhaltigkeit ins Leben gerufen, weil ich gemerkt habe, dass wir als städtische Institution nur ein kleines Rädchen im großen Getriebe der Stadt Köln sind. Wir geben uns jedes Jahr ein Motto – letztes Jahr war es das Jahr des Materials, dieses Jahr soll es das Jahr der Regeneration sein. Es ist total schön, mit ganz vielen städtischen Partnern zusammenzuarbeiten und voneinander zu lernen.

Gibt es auch Gegenwind oder Dinge, die euch schwergefallen sind?

Natürlich gibt es diese Schmerzpunkte, beispielsweise müssen wir uns fragen: Ist es wirklich notwendig so viele Ausstellungen zu machen? Müssen es immer so viele Leihgaben sein? Wir haben Riesendepots, die voll sind und die kaum gezeigt werden, manche Werke wurden noch nie gezeigt. Wir werden immer gefragt, wie viele Ausstellungen, wie viele Besucherinnen wir haben. Aber es wird nicht gefragt, wie viele Besucherinnen mehrfach gekommen sind und was sie eigentlich mitgenommen haben. Gibt es irgendwelche Resultate? Gibt es irgendwelche Folgeprojekte, Menschen, die Dinge initiiert haben, sei es in ihrem Freundeskreis, in Familien oder eben beruflich?

Was sind denn so eure nächsten Wegmarken, was geht ihr als nächstes an?

Im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit läuft gerade ein auf mehrere Jahre angelegter Prozess zum diskriminierungskritischen Arbeiten. Wir stehen auch vor der spannenden Herausforderung, dass das Museum sanierungsbedürftig ist. Jetzt ist für uns der Moment, dafür zu sorgen, dass auch Nachhaltigkeitsaspekte dabei einbezogen werden. Auch der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Stadt beschäftigen uns. Im Hitzeaktionsplan der Stadt Köln sind Museen beispielsweise gar nicht berücksichtigt. In Frankreich bieten Museen ab einer gewissen Gradzahl freien Eintritt, damit Menschen sich abkühlen können.

Kannst du vielleicht noch zum Abschluss ein paar Ausstellungen, Kataloge, Bücher, Inspirationen empfehlen?

Ja, es gibt viele ganz wunderbare Beispiele. Wenn ich da ganz beim Museum Ludwig anfangen darf: Wir hatten vor zwei Jahren eine Ausstellung, die hieß „Grüne Moderne und die neue Sicht auf Pflanzen“. Das war unser Pilotprojekt im nachhaltigen Ausstellen, schon vom Programm her, aber auch in der Umsetzung.

Hast du zum Schluss noch einen Ratschlag für Kulturschaffende, Kurator:innen, die Nachhaltigkeit bei sich am Museum oder in ihrer Institution voranbringen wollen?

Klar, ich würde sagen: einfach machen und dann erkennen, wie viel wir doch auch in der Hand haben, um unsere Institution nachhaltiger zu machen. Die Frage ist immer: Schaue ich hin? Nehme ich mir die Zeit? Übernehme ich Verantwortung? Allein das kann schon zu großen Verbesserungen führen. Und das ist nichts, was extra Geld kostet.

Mehr Infos:

Ein Text von Miriam über nachhaltiges Ausstellen im Kontext der Ausstellung „Grüne Moderne – Die neue Sicht auf Pflanzen“ (Museum Ludwig 17. September 2022 – 22. Januar 2023)

Buchtipp: Christopher J. Garthje, Das nachhaltige Museum, 2022, transcript, Bielefeld

Der Leitfaden des Deutschen Museumsbunds „Klimaschutz im Museum“ (2023)

 

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