Museen sind nicht nur Orte der Kunst und Kultur, sondern auch Institutionen mit einem großen ökologischen Fußabdruck: Klimatisierte Ausstellungsräume, permanente Beleuchtung und internationale Kunsttransporte sorgen für einen erheblichen CO2-Ausstoß. Miriam Szwast ist am Museum Ludwig in Köln Kuratorin für Fotografie und Ökologie. Gemeinsam mit ihren Kolleg:innen hat sie eine Nachhaltigkeitsinitiative gegründet und engagiert sich für den nachhaltigen Wandel.
Hallo Miriam, kannst du erzählen, wie du angefangen hast, dich für das Thema Nachhaltigkeit zu interessieren?
Ich bin mir sicher, dass ich mich für Nachhaltigkeit begonnen habe zu interessieren, bevor ich wusste, was Nachhaltigkeit ist. Das war ein Prozess, zu begreifen, wie viele Dimensionen dahinterstecken – ökologisch, sozial, ökonomisch. Für mich hat das tatsächlich eher aus dem privaten Interesse begonnen – wie sicherlich für viele Menschen, sensibler für Dinge zu werden, vielleicht einige Dinge im Privaten umzustellen.
Dann habe ich auch realisiert an einem Arbeitsplatz zu sein, mit dem ich mich inhaltlich verbunden fühle. Über die Jahre habe ich dann gemerkt, dass es viele Dinge hinter den Kulissen meiner Institution gibt, die für Nachhaltigkeit wichtig sind.

Foto: Falko Alexander, Museum Ludwig
Über Miriam Szwast
Miriam Szwast arbeitet seit 2013 als Kuratorin für Fotografie am Museum Ludwig in Köln. 2021 wurde ihre Position um den Bereich Ökologie erweitert – sie ist seitdem auch offiziell „Kuratorin für Ökologie“. Im selben Jahr gründete sie das Green Culture Collective Cologne sowie das museumsinterne „Team Nachhaltigkeit“.
Zu ihren wichtigsten Ausstellungsprojekten im Bereich ökologischer Nachhaltigkeit zählen „Hier und jetzt. Und gestern und morgen“ (2024) sowie „Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“ (2022). Szwast studierte Kunstgeschichte an den Universitäten Saarbrücken, Frankfurt am Main und Hamburg. Ihre kuratorische Laufbahn begann sie mit einem Volontariat bei den Staatlichen Museen zu Berlin.
Wie hast du angefangen?
Meine Aufgabe endet so ein bisschen – ich überspitze das jetzt – an der weißen Museumswand und im Depot. Aber viele Bereiche des Museums waren mir eigentlich überhaupt noch gar nicht so richtig vertraut. Deshalb dachte ich mir dann, ich werde mal zum Scout und guck mal, wo die Mülltonnen stehen, wie es mir unsere Entsorgungspraxis aussieht, und so ging es dann weiter. Das scheint banal, aber es ist wichtig, sich den Rucksack aufzuschnallen, sich umzuschauen und dann zu sehen, was man eigentlich besser machen müsste und auch kann.
Wie hast du Leute gefunden, die sich auch für das Thema interessieren und engagieren wollen?
Das war zum Glück überhaupt gar kein Problem. Ich musste niemanden finden, sondern es gab diesen Moment – ich weiß das noch, das muss 2019 gewesen sein, als Fridays for Future quasi vor der Tür des Museums standen. Wir saßen in unserem wöchentlichen Jour Fixe und ich erwähnte nur, dass es doch schön wäre, wenn wir uns über Nachhaltigkeit und den Klimawandel mehr Gedanken machen und schauen, was wir verändern können.
In meiner Erinnerung kam darauf keine Reaktion und ich dachte, gut, wenn keine Reaktion kommt, ist es auch kein Nein, dann lege ich mal los. Und es kam sehr schnell eine Dynamik auf, weil viele Kolleg:innen mich dann auf dem Flur direkt ansprachen und sagten, sie hätten auch Interesse, sich irgendwie einzubringen.
Wir sind eine lernende Institution und es ist wirklich ein Work in Progress. Wir lernen mit jeder Maßnahme und mit jedem Fail irgendwie dazu. Es gibt einfach nicht dieses Buch, in dem ich nachschlagen könnte „so geht Grünes Museum“. Wir wachsen und wir suchen, und das ist das Aufregende. Deswegen ist es aber umso schöner, dass wir jetzt ein wirklich großes und engagiertes Team am Museum haben. Wir sind 60 Mitarbeitende und 30 sind im Team Nachhaltigkeit aktiv.

Installationsansicht der Ausstellung „Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“. Museum Ludwig, Köln 2022. Foto: Leonie Braun
Welche Rolle spielen gerade Museen mit Bezug auf den Klimawandel?
Es gibt diese Untersuchungen der britischen Wohltätigkeitsorganisation Julie’s Bicycle, die haben im Kultursektor Treibhausgasemissionen berechnet. Wir konnten feststellen, dass Museen bei den CO2-Emissionen weit an der Spitze stehen im Vergleich zu Opern, Kinos, Festivals etc. Das kommt beispielsweise allein schon daher, dass wir wegen der Kunstwerke sehr genau auf das Raumklima schauen müssen.
Wenn wir den Anspruch haben ein grünes Museum zu sein und das mit unseren Themen auch voranbringen wollen und dabei mit unseren Stakeholdern, von den Förder:innen bis zu den Besucher:innen im Austausch sind, dann müssen wir glaubwürdig sein.
Nachhaltiger zu werden, ist aus meiner Sicht ein Prozess, der auf vielen Ebenen gleichzeitig stattfindet. Wir sprechen über das Gebäude, wir sprechen über den Ausstellungsbetrieb im Gebäude, wir sprechen über die Produkte, seien es Kataloge, Ausstellungen oder das Merchandising. Und wir sprechen dann – und das ist die wahre Superpower der Museen – über das Programm.
Was waren denn so die ersten Projekte, die ihr angegangen seid?
Es sind zum Teil kleine Maßnahmen, mit denen wir eine Menge erreichen konnten. Bei Leihanfragen haben wir beispielsweise versucht einen klimaneutralen Versand zu vereinbaren. Ein anderes Projekt war das Materialkarussell. Wir haben Materialien wie alte Rahmen, die wir nicht mehr benötigen, Transportkisten und sehr viel unterschiedliches Material einfach gegen eine freiwillige Spende abgegeben. Mit dem Erlös konnten wir dann die Kölner Tafel und Zero Waste Köln e.V. unterstützen.
Habt ihr auch Vermittlungsprogramme für Menschen, die sich mehr für Nachhaltigkeit und weniger für Kunst interessieren?
Ja, das sind ganz unterschiedliche Formate. Beispielsweise gibt es regelmäßig Vorträge, Podiumsdiskussionen, Austausch unter der Überschrift „Kunst und Klima“. Wir haben mit Politiker:innen aus Köln darüber diskutiert, was sie sich unter einer grünen Stadt vorstellen. Wir haben zuletzt mit dem Wuppertal-Institut zusammengearbeitet und Workshops für verschiedene Altersstufen angeboten.
Du hast auch das Green Culture Collective mitbegründet. Was macht ihr da genau?
Das Green Culture Collective habe ich parallel zum Team Nachhaltigkeit ins Leben gerufen, weil ich gemerkt habe, dass wir als städtische Institution nur ein kleines Rädchen im großen Getriebe der Stadt Köln sind. Wir geben uns jedes Jahr ein Motto – letztes Jahr war es das Jahr des Materials, dieses Jahr soll es das Jahr der Regeneration sein. Es ist total schön, mit ganz vielen städtischen Partnern zusammenzuarbeiten und voneinander zu lernen.
Gibt es auch Gegenwind oder Dinge, die euch schwergefallen sind?
Natürlich gibt es diese Schmerzpunkte, beispielsweise müssen wir uns fragen: Ist es wirklich notwendig so viele Ausstellungen zu machen? Müssen es immer so viele Leihgaben sein? Wir haben Riesendepots, die voll sind und die kaum gezeigt werden, manche Werke wurden noch nie gezeigt. Wir werden immer gefragt, wie viele Ausstellungen, wie viele Besucherinnen wir haben. Aber es wird nicht gefragt, wie viele Besucherinnen mehrfach gekommen sind und was sie eigentlich mitgenommen haben. Gibt es irgendwelche Resultate? Gibt es irgendwelche Folgeprojekte, Menschen, die Dinge initiiert haben, sei es in ihrem Freundeskreis, in Familien oder eben beruflich?
Was sind denn so eure nächsten Wegmarken, was geht ihr als nächstes an?
Im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit läuft gerade ein auf mehrere Jahre angelegter Prozess zum diskriminierungskritischen Arbeiten. Wir stehen auch vor der spannenden Herausforderung, dass das Museum sanierungsbedürftig ist. Jetzt ist für uns der Moment, dafür zu sorgen, dass auch Nachhaltigkeitsaspekte dabei einbezogen werden. Auch der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Stadt beschäftigen uns. Im Hitzeaktionsplan der Stadt Köln sind Museen beispielsweise gar nicht berücksichtigt. In Frankreich bieten Museen ab einer gewissen Gradzahl freien Eintritt, damit Menschen sich abkühlen können.
Kannst du vielleicht noch zum Abschluss ein paar Ausstellungen, Kataloge, Bücher, Inspirationen empfehlen?
Ja, es gibt viele ganz wunderbare Beispiele. Wenn ich da ganz beim Museum Ludwig anfangen darf: Wir hatten vor zwei Jahren eine Ausstellung, die hieß „Grüne Moderne und die neue Sicht auf Pflanzen“. Das war unser Pilotprojekt im nachhaltigen Ausstellen, schon vom Programm her, aber auch in der Umsetzung.
Hast du zum Schluss noch einen Ratschlag für Kulturschaffende, Kurator:innen, die Nachhaltigkeit bei sich am Museum oder in ihrer Institution voranbringen wollen?
Klar, ich würde sagen: einfach machen und dann erkennen, wie viel wir doch auch in der Hand haben, um unsere Institution nachhaltiger zu machen. Die Frage ist immer: Schaue ich hin? Nehme ich mir die Zeit? Übernehme ich Verantwortung? Allein das kann schon zu großen Verbesserungen führen. Und das ist nichts, was extra Geld kostet.
Mehr Infos:
Ein Text von Miriam über nachhaltiges Ausstellen im Kontext der Ausstellung „Grüne Moderne – Die neue Sicht auf Pflanzen“ (Museum Ludwig 17. September 2022 – 22. Januar 2023)
Buchtipp: Christopher J. Garthje, Das nachhaltige Museum, 2022, transcript, Bielefeld
Der Leitfaden des Deutschen Museumsbunds „Klimaschutz im Museum“ (2023)