Ausstellung: Elias Sime im Kunstpalast Düsseldorf

von | März 3, 2025

Der äthiopische Künstler Elias Sime sammelt Elektroschrott auf den Märkten von Addis Abeba und verwandelt ihn mit traditionellen Handwerkstechniken in beeindruckende Wandgemälde. Seine Kunst ermöglicht einen Zoom-Out  auf globale Zusammenhänge und wirft Fragen zur Umweltzerstörung und zur Dominanz westlicher Technologie auf.

Landschaften aus Mikroelektronik

Der Kunstpalast Düsseldorf zeigt in der aktuellen Ausstellung „Elias Sime – Echo“ rund vierzig Werke des äthiopischen Künstlers, die seinen künstlerischen Weg und Erfolg von den frühen 2000er-Jahren bis heute nachzeichnen. Es ist die erste Ausstellung dieser Art in Deutschland.

Die Serie „Tightrope“ zieht sich dabei wie ein roter Faden durch die Ausstellungsräume. Sime verwendet für die großformatigen Wandbilder dieser Serie Elektronikbauteile aus ausrangierten Elektrogeräten, die er auf den Märkten seiner Heimatstadt Addis Abeba gesammelt hat. Gemeinsam mit seinem Team sortiert und arrangiert er die Teile zu eindrucksvollen Collagen. Kabel, Kondensatoren und Stücke von Platinen werden zu Formen, die an die Luftbilder von Google Maps erinnern, die Megacities oder Landschaften zeigen.

Elias-Sime_TIGHTROPE.-Behind-the-Processor-6-2022_Detail-9, Kunstpalast Düsseldorf

Elias Sime, Tightrope: Behind the Processor: No. 6, 2022, (Detail), 253 x 400 x 12 cm, Privatsammlung, Foto: Jonathan de Waart, FAA Photography & Design, Courtesy des Künstlers und GRIMM, Amsterdam | London | New York

Die Erhabenheit des Zoom-Out

Der Blick von oben ist ein Blick der Herrschaft. Mit Luftbildern erkundet man im Krieg feindliche Ziele oder erstellt Karten, um ein Land zu beherrschen, in dem man seine geographischen Eigenschaften visuell und taktisch erfasst. Sime geht es eher um die Erhabenheit des Überblicks, um den Erkenntniseffekt des Zoom-out, darum, das Kleine im Großen und das Große im Kleinen zu sehen, um eine globale und zugleich lokale Perspektive. In der Ausstellung geht man immer wieder ganz nah ran, mit dem Auge oder dem Objektiv und tritt dann einen Schritt zurück.

Das Globale und das Lokale verbinden sich in Simes Arbeiten auch auf materieller Ebene. Für seine Bilder nutzen er und sein Team die Abfallprodukte globaler Vernetzung. Der Elektroschrott der westlichen Industrieländer landet meist illegal auf den Müllhalden und Märkten in Afrika.

Sime nutzt traditionelle Handwerkstechniken wie Sticken, Weben, Flechten oder Schnitzen, um aus Elektroschrott Collagen zu machen, die wie ein visuell-haptisches Relief nicht nur das Sehen, sondern auch das Fühlen ansprechen. Unübersehbar ist Simes Kunst mit den lokalen Kunsthandwerkstraditionen Äthiopiens verbunden und dennoch sieht er sie nicht als afrikanische Kunst, sondern will auf die globale Situation der Menschheit aufmerksam machen, wie es in einem Wandtext heißt.

Elias-Sime_Tightrope.-Behind-the-Flowers-2017-1, Kunstpalast Düsseldorf

Tightrope: Behind the Flowers, 2017, (Detail), Wiederverwendete elektrische Drähte auf Holzplatte, 163 x 320 x 2 cm, GRIMM, Amsterdam | London | New York, Foto: Adam Reich, Courtesy des Künstlers und James Cohan, New York.

Collagen ohne viel Kontext

Szenografisch ist es eine sehr schöne Ausstellung geworden. Man kann als Besucher:in in kontemplativer Atmosphäre durch die in bunten, gebrochenen Farbtönen gehaltenen Ausstellungsräume flanieren und Simes Kunst bestaunen. Es gibt eine große Videoprojektion, die auch den Ort in Addis Abeba zeigt, an dem Simes Kunst entsteht. Sehr gelungen ist auch das Vermittlungsprogramm. Kinder können aus Knöpfen, Korken und Elektroteilen ihre eigenen Collagen zusammenkleben und sich dabei Kopfhörer aufsetzen und der Soundkulisse aus Simes Garten lauschen.

Das ist alles sehr schön, aber es bleibt auch vieles ausgeklammert und ungesagt. Das „Material“, mit dem Sime arbeitet, ist eben Elektroschrott. Mehrere tausend Tonnen davon werden jedes Jahr von den westlichen Industrieländern illegal nach Afrika exportiert. Dort vergiftet der Müll die lokale Natur und die Menschen, die dort auf riesigen Schrotthalden die elektronischen Überreste unseres Wohlstands sortieren. Vielleicht werden die Handys, mit denen man Simes Kunstwerke jetzt staunend fotografiert, auch mal dort landen.

Elias-Sime-Tightrope-Echo-No.-1-2021, Kunstpalast Düsseldorf

Elias Sime, Tightrope: Echo!? No. 1, 2021, Elektrische Drähte, verschiedene Materialien, Landkarten, auf Holz, 366 × 480 cm, Privatsammlung AS Holding, Christen Sveaas Art Collection, Foto: Phoebe d’Heurle, Courtesy des Künstlers und James Cohan, New York.

Kuration als Diskussion

Natürlich muss man Simes Werk keine umweltkritischen oder postkolonialen Argumente aufdrängen und man kann sich auch fragen, ob man damit nicht wieder aus einer westlichen Perspektive über seine Kunst spricht. Aber so kompliziert muss es nicht sein. Starke und relevante Kunst, wie die von Elias Sime, braucht eine klare kuratorische Sprache und Positionierung. Immerhin hat der Kunstpalast stolz die Initiative ergriffen, Simes Kunst erstmalig in Deutschland in einer so umfassenden Einzelausstellung zu präsentieren.

So schön sich diese Ausstellung auch anschauen lässt, fehlt ihr aber eben diese klare Sprache und eine kritische oder zumindest kreative kuratorische Haltung. Die Wandtexte sprechen vage von „Verbindungen“ oder etwas altbacken ist von einer „Schnelllebigkeit des technologischen Zeitalters“ die Rede, um die es bei Sime gehe. Das lässt sich über viele künstlerische Arbeiten schreiben und wird der Eigenheit von Simes Kunst nicht gerecht.

Spielen unbequeme Themen wie Umweltzerstörung, Kolonialismus oder der Zugang zu digitalen Infrastrukturen in Schwellenländern in Simes Kunst keine Rolle oder werden sie einfach nur in dieser Ausstellung nicht thematisiert? Es wäre interessant und wichtig, darüber mehr zu erfahren. Kontext, Wissen und Diskussion, das erweitert Kunst und macht sie relevant. Ihre Wahrnehmung bleibt im zeitgenössischen Diskurs glücklicherweise nicht mehr bei Autor und Werk stehen, sondern wirkt über die Rahmen der Bilder und die institutionellen Räume hinaus in die Gesellschaft.

Museen sind auch Bildungsinstitutionen und Ausstellungen können lebendige und demokratische Diskussionsräume sein. Dazu bräuchte es aber auch eine engagiertere kuratorische Perspektive, die Kunst und Publikum miteinander ins Gespräch bringt und dabei auch die politisch und ökologisch relevanten Fragen stärker im Blick hat.

Mehr Infos:

Elias Sime „Echo“ 12.2–1.6.2025, Museum Kunstpalast, Düsseldorf

 

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